Spinnennetz der Macht: Wie die politische und wirtschaftliche Elite unser Land zerstört by Roth Jürgen

Spinnennetz der Macht: Wie die politische und wirtschaftliche Elite unser Land zerstört by Roth Jürgen

Autor:Roth, Jürgen [Roth, Jürgen]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2013-02-27T23:00:00+00:00


Die kriminelle Organisation,

ein Justizirrtum und die hohe Politik

Mit dem Thema Russenmafia beschäftige ich mich in meinen Büchern und Recherchen schon seit vielen Jahren und weise auf deren gefährliches Treiben hin. Als in Stuttgart die Justiz endlich einmal gegen diese kriminelle Organisation vorging, freute ich mich: Endlich wurde sie strafrechtlich verfolgt – und sogar verurteilt. Doch was ich anfangs nicht kannte, waren die mehr als dubiosen Hintergründe dieses Falls, der bis in die höchsten Kreise von Politik und Wirtschaft reicht.

Das Drama begann am Mittag des 18. August 2006 auf der Autobahn A 8 nahe des Stuttgarter Flughafens. Ein schwarzer Mercedes S-Klasse, von Stuttgart nach Garmisch-Partenkirchen unterwegs, wurde von einem Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei gestoppt, auf den nächsten Parkplatz gelotst, und die beiden Insassen wurden festgenommen. Gegen sie lag ein Haftbefehl wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor. Sie sollen einer der gefährlichsten russischen Organisation angehören.

In dem Auto saß Katharina Schmidt,1 die gerade von ihrem Arbeitsplatz, dem Honorarkonsulat der Russischen Föderation für Baden-Württemberg in Stuttgart, in Richtung Garmisch-Partenkirchen unterwegs war. Ihr Chef, der Russische Honorarkonsul Professor Klaus Mangold, hatte ihr trotz des Umzugs – das Konsulat war gerade vom Daimler-Gebäude in ein neues Domizil in Stuttgart gezogen – erlaubt, an diesem Tag zu ihrem Sohn zu fahren. Doch daraus sollte nun nichts mehr werden. Die Frau wurde von SEK-Beamten aus dem Auto gezogen, bekam eine schwarze Kapuze über den Kopf gestülpt und wurde dann in einen Polizeiwagen verfrachtet. Während der Polizeiaktion auf dem Parkplatz dachte sie noch: Ist das hier vielleicht eine Aktion für die Sendung Verstehen Sie Spaß? Nein, das war bitterernst. Ihren Exmann Dimitri Schmidt,2 der zusammen mit ihr den gemeinsamen Sohn in Garmisch-Partenkirchen besuchen wollte, zerrte man ebenfalls aus dem Fahrzeug, warf ihn auf den Boden, und er wurde von mehreren Beamten mit gezogenen Pistolen fixiert. Die Polizisten glaubten schließlich, einen brutalen und gefährlichen russischen Mafioso vor sich zu haben. Zur gleichen Zeit wurden andernorts zwei weitere Männer, die ebenfalls der Russenmafia angehören sollen, verhaftet: Alexander Lust und Alexander Afansiev.

Schon auf der Fahrt zur Haftrichterin teilte ein LKA-Beamter der vollkommen verschüchterten Katharina Schmidt mit, sie müsse nun mit einer langjährigen Haftstrafe rechnen. »In den nächsten fünf Jahren werden Sie Ihren Sohn nicht wiedersehen.« Gegenüber der Haftrichterin bestritt sie den Vorwurf, einer kriminellen Vereinigung anzugehören. Doch im Haftbefehl stand, dass ihr dies aufgrund der Aussage eines Kronzeugen angelastet werde. Da nutzte es wenig, dass sie der Untersuchungsrichterin erzählte, sie müsse zu Hause ihren Hund und eine Maus versorgen. Die Richterin ordnete Untersuchungshaft an. Auf der Fahrt in die Justizvollzugsanstalt Schwäbisch-Gmünd wurde ihr noch nahegelegt, am besten mit den Ermittlern zu kooperieren. Nach Mitternacht sah sie dann an diesem Tag zum ersten Mal in ihrem Leben eine Gefängniszelle. Ihre Zellennachbarin stellte gleich klar: »Jetzt hast du draußen keine Freunde mehr – aber jetzt hast du uns.« Ihr Sohn wurde zwischenzeitlich ins Landeskriminalamt nach Stuttgart gebracht. Ihm sagten die Beamten: »Dein Vater hat falsche Freunde, und deshalb musst du dein bisheriges Leben vergessen. Du darfst nie wieder Eiskunstlaufen, deine Karriere ist damit beendet.



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